Agile Strategie-Umsetzung mit dem Kotter’schen Dualen Betriebssystem ist ein perfekter Ansatz, um verkrustete Organisationsstrukturen aufzubrechen. Dies ist ein Weckruf an alle, die Organigramm-müde sind und sich nach alternativen Organisationsformen sehnen. Damit notwendige strategische Veränderung mit deutlich höherer Geschwindigkeit gelingen.

Erfolgreiche Strategieumsetzung im dualen Betriebssystem

Der emeritierte Harvard Professor und einer der weltweit führenden Leadership und Change Management Vordenker, John P. Kotter, hat bereits 2012 das Duale Betriebssystem in einem Artikel im Harvard Business Manager als Veränderungsbeschleuniger vorgeschlagen. Er rät darin allen Organisationen zu zwei parallelen (Betriebs-)Systemen, um das Geschäft zu führen. Ein System, mit dem die tägliche Arbeit effizient und zuverlässig bewältigt wird (Run the Business), und ein weiteres, um ‘Strategische Initiativen’ zu entwickeln und weitaus erfolgreicher umzusetzen als bisher (Develop the Business).

Drei Kernelemente bilden das zweite Betriebssystem

agile Strategieumsetzung

Vorausgesetzt, die Unternehmensstrategie ist klar definiert, erfolgt dann die Umsetzung derselben in einem agilen Netzwerk. Dieses agile Netzwerk besteht aus drei Kernelementen:

  1. Strategischen Clustern
    Ein strategisches Cluster bündelt die thematischen Eckpunkte einer Strategie (z.B. Marktstrategie). Ein drei bis maximal fünfköpfiges Cluster-Team koordiniert alle strategischen Projekte/Initiativen eines Clusters.

     

  2. Strategische Projekte/Initiativen
    Mehrere strategische Projekte/Initiativen konkretisieren zusammen das übergeordnete strategische Cluster. Hier ist viel Dynamik im Spiel. Strategische Projekte sind nicht statisch. Sie haben einen definierten Start- und Endzeitpunkt, werden neu gebildet und gestartet und lösen sich auch wieder auf – entweder weil erfolgreich abgeschlossen oder weil durch Erkenntnisgewinn bewusst abgebrochen (fail fast cheap & often!).

  3. eine zentrale Koordination der strategischen Cluster
    Über eine zentrale Koordination der strategischen Cluster den inhaltlichen Austausch / Abgleich stimulieren.

John P. Kotter hat fünf Grundprinzipen für gut funktionierende duale Betriebssysteme definiert, die ich hier inhaltlich nicht weiter ausführe:

  1. Armee der Freiwilligen statt verpflichtender Abordnung zur Strategie-Umsetzung
  2. „Ich will“ – statt „Ich Muss“Geisteshaltung
  3. der Antrieb der Menschen kommt aus Kopf UND Herz, statt nur Kopf
  4. Leadership statt Management
  5. Enge Verzahnung der beiden Betriebssysteme

Vier Erfolgsfaktoren abgeleitet aus der praktischen Umsetzung

Aus der eigenen Umsetzung-Erfahrung solcher agilen Netzwerke lassen sich insbesondere folgende Erfolgsfaktoren ableiten:

  1. Ohne zentrale Koordination der strategischen Cluster funktioniert es nicht
    Aber: So wenig Koordination und “zentrale Vorgaben” wie nötigKEIN klassischen Projektmanagement-Office (PMO) also, dass über „ordnerdicke“ Projektmanagement- und Reporting-Standards bei allen Beteiligten die Motivation im Keim erstickt. Auch KEIN“zentrales Reporting” an die Geschäftsführung über die zentrale Strategie-Koordination. Im Stille-Post-Spiel des Strategie-Projekt-Reportings kommen meist nur Halbwahrheiten oben an. Stattdessen einen offenen Austausch zwischen den Strategie-Clustern fördern und durch regelmäßige Dialogformate auch die Rückkopplung an das erste Betriebssystem sicherstellen.

  2. Strategie-Umsetzung ≠ Chefsache 
    Brechen Sie verkrustete Organigramm-Strukturen auf und besetzen Sie die strategischen Cluster-Teams bewusst NICHT (ausschließlich) mit dem Top-Management der Organisation. Geben Sie Nachwuchskräften und Potenzialträgern ein Chance, sich hier in der Cluster-Koordination zu beweisen. Das zweite Betriebssystem ist eine ideale Bühne abseits der formalen Hierarchie. Als Geschäftsführungsteam können Sie sich aufteilen, sodass beispielsweise jedes Teammitglied der GF in einem Cluster Teammitglied ist. Das garantiert Zusatz-Motivation: Wann hat man als “Nicht-Führungskraft” in der Linie schon mal die Gelegenheit, gemeinsam auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung in einem Cluster-Team zu diskutieren und die Weichen für die Zukunft des eigenen Arbeitsumfelds zu stellen?

  3. Loslassen und dadurch Umsetzungsgeschwindigkeit steigern 
    Lassen Sie die “Cluster Teams” entscheiden, welche strategischen Projekte / Initiativen wann gestartet und abgeschlossen werden. Lassen Sie hier den Cluster-Teams bewusst Gestaltungsfreiraum im Rahmen der strategischen Leitplanken. Die Cluster Teams agieren wie eine “Geschäftsführung des strategischen Clusters” mit größtmöglichen Entscheidungsbefugnissen. Verzichten Sie komplett auf althergebrachte “Strategie-Power-Point-Orgien”, in denen sich die Geschäftsführung bei frisch eingedecktem Tisch mit Kaffee & Keksen durch die Führungskräfte der nächsten Ebene den Status der Strategieprojekt in immergrünen Ampeln präsentieren lässt. Delegieren sie das komplett an die Strategie-Cluster-Teams! Die sind bestenfalls jung-dynamisch genug, dass sie andere Methoden kennen und ausprobieren, um sich einen Überblick über die laufenden strategischen Projekte ihres Clusters zu verschaffen. Wenn (Geschäfts-)Führungskräfte es aushalten, nicht alle Entscheidungen selbst zu treffen bzw. damit umgehen können, nicht alle Entscheidungen der Cluster-Teams kennen zu müssen, dann entsteht Umsetzungsgeschwindkeit.

  4. Breite, cross-funktionale Beteiligung und Freiwilligkeit ist wichtig
    Schaffen Sie die Möglichkeit einer breiten, cross-funktionalen Beteiligung an der Umsetzung strategischer Projekte und Initiativen. Werben Sie zur Mitarbeit um Freiwillige aus der Linienorganisation (1. Betriebssystem). Das gefühlte Privileg, in wichtige Aktivitäten eingebunden zu sein, hat Menschen immer schon dazu bewegt, sich zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit freiwillig weiteren Aufgaben zu widmen. Es braucht dann auch keine extrinsischen Anreize. Im ersten Betriebssystem müssen insbesondere die Linienführungskräfte Anreize erfahren, damit es sich auch für sie lohnt, die “guten Freiwilligen” zumindest temporär in das 2. Betriebssystem ziehen zu lassen.

 

Wenn also Ihre Unternehmensstrategien nicht in den Hochglanzfolien und immergrünen Statusampeln der Berater und Stabsabteilungen versanden soll, dann ist die oben skizzierte agile Strategie-Umsetzung eine erfolgversprechende Alternative. Bewährungsspielfeld, Sichtbarkeit und Motivation für ihre Potenzialträger inklusive!

Und: ein erster Schritt in Richtung einer moderneren Organisationsform jenseits von Organigrammen.