Die Digitalisierung hat in vielen Organisationen vor allem eins geschaffen: ein neues Kästchen – die oder der CIO/CDO musste her. Eine kurze Recherche fördert allein hier auf LinkedIn mehr als 700.000 CIOs/CDOs zutage. Gib es einfach mal in die LinkedIn-Suche ein! Da ist die Wirtschaft wie so oft Vorreiter. Mit einem entsprechenden Zeitverzug sprießen die Pöstchen auch in der Politik aus dem Boden und am Ende wird ein eigenes (Digitalisierungs-)Ministerium wachsen.
Ein frisch gebackener CxO setzt neue Ausschüsse ein und Meetings an, gibt neue Richtlinien heraus, verlangt die Erhebung neuer Daten und versucht die eigenen Standards den anderen überzustülpen. Fort schreibt sich, wovon wir alle müde sind: Die hierarchische Organisation manifestiert sich in Posten, Pöstchen und Kästchen.
Feudale Silodenke allerorts!
Jede neue Welle schafft einen neuen CxO
Jede neue Herausforderung und jede neue Modewelle bringt ein neues Ressort hervor. Dieses leitet in der Regel ein CxO. Heutzutage ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Unternehmen einen Chief Compliance Officer, Chief Digital Officer, Chief Diversity Officer, Chief Environmental Officer, Chief Technology Officer, Chief Transformation Officer und mehr hat.
Ein frisch gebackener CxO setzt neue Ausschüsse ein und Meetings an, gibt neue Richtlinien heraus, verlangt die Erhebung neuer Daten und versucht, die eigenen Standards den anderen überzustülpen. Fort schreibt sich, wovon wir alle müde sind: Die hierarchische Organisation manifestiert sich in Posten, Pöstchen und Kästchen.
Feudale Silodenke allerorts!
Nicht wenige unter uns haben einmal ganz unten angefangen und davon geträumt, oben anzukommen: “Irgendwann wird der Tag eintreten, an dem auch ich beim “Alumni-Treffen” stolz den CxO auf meiner Visitenkarte präsentieren kann.”
Das PETER-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähigen
Damit beginnt ein ernüchterndes Karriereziel und eine noch viel ernüchternde Reise, die sich erst spät(er) als solche entpuppt. Viele von uns wissen das.
Ein Ex-CFO hat mir gegenüber kurz nach seiner Verrentung einmal offenbart: “Wissen Sie, Herr Zeisig, das ist ganz komisch. Bis vor einem halben Jahr war ich in meiner Nachbarschaft noch DER CFO von XY – jetzt bin ich NUR NOCH DER PETER VON NEBENAN!”. Je später die Ernüchterung eintritt, desto bitterer. Das hat auch Laurence J. Peter in seinem (1969!) erstmals erschienen Buch “The Peter Principle” mit bissigem Humor beschrieben: “In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.” Ich kenne so manche(n) CxO, der/die – erst einmal oben angekommen – dann doch verwundert auf die teilweise unmenschlichen Spielchen in den Kästchen darunter blickt.
New Work zum Trotz: Systeme schützen und reproduzieren sich selbst
Frederic Laloux mit “Reinventing Organizations” und Gary Hamel in seinem erst kürzlich erschienenen Buch “Humanocracy” skizzieren durchaus erstrebenswerte Zielbilder “menschlicherer Organisationen”. Die New Work Bewegung tut ihr Übriges. Jedem StartUp, das es bis in den Series A Finanzierungszyklus geschafft hat, empfehle ich, sich daran zu orientieren.
Doch was ist mit all den etablierten Organisationen? Die klassisch hierarchischen Organisationen wurden in den letzten Jahrzehnten – in vielen ein Jahrhundert lang – durch etliche Reorganisationen von links auf rechts gedreht und durch so manche Matrix vergewaltigt.
Es sind ja nicht nur Kästchen, Pöstchen und vermeintliche Karriereträume, die dadurch entstanden, sondern vor allem Unternehmens-Kulturen, die tief in der Unternehmens-DNA verankert sind. Die mehrfach Vergewaltigten haben gelernt, damit umzugehen und haben sich nicht selten damit abgefunden, denn: Die nächste Welle bzw. die nächste Reorganisation kommt bestimmt. Da helfen allein Lalouxs und Hamels erstrebenswerte Zielbilder und die Teilnahme am nächsten NEW WORK Kongress nicht. Denn diejenigen, die es bis an die Spitze geschafft haben, haben oft zu wenig Zeit, um Laloux und Hamel zu lesen, geschweige denn umzusetzen. Noch viel weniger Zeit haben sie, an NEW WORK Kongressen teilzunehmen. Und wenn sie sich doch als Key Note Speaker in solchen Kongressen eindrucksvoll als Vorreiter der Welle präsentieren, dann oftmals nur, weil in ihrem CxO Ressort ein(e) jungdynamische/r Referent/in mit “großem Führungsnachwuchspotenzial” (C-Level-Direct-Report steht dann auf der Visitenkarte) in der neu geschaffenen Stabsstelle imponierend die PowerPoint-Hochglanz-Maschinerie angeworfen hat. In der Systemtheorie nennt man das wissenschaftlich Autopoiesis: Das System schützt und reproduziert sich gekonnt selbst!
Visions-Apostel helfen nicht weiter
Es klingt deshalb ernüchternd, wenn ich als pragmatischer Realist abschließend festhalte: Ich bin mir sicher, dass wir noch einige Zeit mit den althergebrachten Organigrammen leben müssen. Das verhindern – zumindest in Deutschland – allein die Gesetzgebung und so manche Zertifizierung.
Ich glaube also nicht an Revolution in Organisationen – wohl aber an Evolution. Veränderungen brauchen auf jeden Fall eine klare Vision. Aber: Visions-Aposteln allein fehlt häufig die Anschlussfähigkeit an das Bestehende. Etablierte Unternehmen brauchen vielmehr pragmatischere Lösungsansätze für neue, zukunftsfähige Organisationsformen.
Bist auch Du Organigramm-müde? Dann schreib Deinen Weckruf gern bei LinkedIn in die Kommentare und sei gespannt auf meinen nächsten Beitrag: ein pragmatischer Ansatz für einen Ausweg aus der dauerhaften Organigramm-Müdigkeit.
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