Legt die Welt an den Punkt, Geduld ist ungesund.

Es wird Zeit, dass sich was dreht…

sang einst Herbert Grönemeyer. Geduld ist ungesund? Ich würde dem nicht uneingeschränkt zustimmen. Doch wenn es um häufig überfällige betriebliche Transformationen geht, dann ist Geduld oftmals tatsächlich ungesund – und führt nicht selten zum frühzeitigen Exodus des Patienten. Der Patient “deutscher Mittelstand” und damit der Standort Deutschland hat meiner Ansicht nach zu viel Geduld gegenüber strategisch notwendige Transformation an den Tag gelegt. 

Der Standort Deutschland liegt mir am Herzen...

Für meine Kinder und die nachfolgenden Generationen geht es darum, einen lebenswerten Lebensraum zu erhalten und teilweise neu zu denken. 

Ein Lebensraum aus Frieden, Freiheit und nachhaltigem Wohlstand. Wir stehen inmitten einer weltweiten Transformation, weg von einer Industriegesellschaft hin zu einer digitalen hoch-vernetzten Welt, einer Welt künstlicher Intelligenzen, eine neue Realität, die wir jetzt (noch) aktiv gestalten, um weiterhin in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben zu können.

Dafür braucht es ein Ökosystem in unserem Land, das nachhaltig die Chancen in einer global vernetzten Welt sucht und nutzt. Dafür braucht es Unternehmen, Organisationen und Menschen in unserem Land, die mutig voran gehen und die sich nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen. Denn die Bausteine in der neuen (Wirtschafts-)Welt sind andere als diejenigen, die dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft – dem deutschen Mittelstand – Erfolg beschert haben: also nicht mehr Hardware (Maschinen, Anlagen, Autos), sondern vielmehr Plattformen, Marktplätze, Ökosysteme und skalierbare Geschäftsmodelle.

Der traditionelle deutsche Mittelständler denkt in Produktoptimierungen und -verfeinerungen, entwickelt und produziert in dem tief verwurzelten Glaubenssatz „Made in Germany“: „Wir machen definitiv die beste Qualität, die sich am Ende durchsetzen wird.“ Aber das war einmal. Produktlebenszyklen verkürzen sich dramatisch. Da bleibt (zu) wenig Zeit übrig, um sich „am Ende durchzusetzen“. Es geht um Geschwindigkeit (time-to-market), um Vorreiterschaft bei technologischen Innovationen, weg von ingenieursgetriebener Perfektionskultur hin zu einer Kultur des Scheiterns (Minimum Viable Product Mindset) als Garant für Erfolg:

Keine Angst vorm Scheitern – vorne ist das neue Oben…​

Qualität und damit „Made in Germany“ ist per Definition die „Erfüllung von bestehenden (Kunden-) Anforderungen“. Als Steve Jobs das erste iPhone am 9. Januar 2007 auf der Macworld Conference & Expo in San Francisco vorstellte, war das zu diesem Zeitpunkt ganz sicher nicht die Antwort auf ‚bestehende‘ Kundenanforderungen.

Es geht im Kern also um eine unternehmerische Kulturveränderung im Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Es geht um Menschen, deren Art und Weise zu wirtschaften sich als sehr erfolgreich erwiesen und entsprechend tief in Erfahrungsschätzen verankert ist – und ich weiß wovon ich rede: Ich bin selbst Ingenieur und habe in meiner über 20-jährigen Berufslaufbahn mit vielen, vielen tollen Ingenieuren zusammengearbeitet. Und genauso weiß ich, wie anspruchsvoll es ist, gerade in ingenieurdominierten Betriebskulturen nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Echte Kulturveränderungen finden nicht in theoretischen Abhandlungen und esoterischen Managerseminaren in abgelegenen Seminarhotels statt – die Wahrheit liegt auch hier wie im (Profi-) Sport auf dem Platz: Wahre Kulturveränderungen gelingen oder scheitern auf dem „Führungs-(Shop)Floor“ der deutschen Betriebe.

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Organisationen keine Erkenntnisprobleme haben – die Notwendigkeit zur Veränderung wird allerorts gesehen und diskutiert. Die Unternehmen tun sich in der Umsetzung schwer, weil sie oftmals an den (verdeckten) Widerständen von Führungskräften, Mitarbeitern und den betrieblichen Mitbestimmungen und Tarifpartnern scheitern. Diese Widerständler sind viel zu schlau und haben mittlerweile gelernt, die Unmengen an Programmen, Initiativen und Projekten gekonnt in Wirkungslosigkeit versanden zu lassen – das nächste Programm kommt bestimmt. Und wenn das nicht hilft, dann kommen McKinsey, BCG & Co – die machen noch mehr Programm! Und noch vielmehr GANNT-Charts, Powerpoints und Excel-Orgien. So scheitern Veränderungen. Alle sind gut (mit sich selbst) beschäftigt – Hurra, Vollbeschäftigung in Deutschland, während die USA und die Asiaten (China) die technologischen Zukunftsmärkte unter sich aufteilen.

Die Uhr tickt: Wie gelingen Veränderungen?

Wie schaffen es Unternehmen also, sich rechtzeitig und erfolgreich zu transformieren? Wie gelingt es dem deutschen Mittelstand dabei, traditionell Erhaltenswertes zu bewahren und gleichzeitig bestehende Geschäftsmodelle – die bisherige Art und Weise zu wirtschaften – konsequent infrage zu stellen? Wie schaffen es Führungskräfte in diesen Organisationen, auf dem Führungs-(Shop-)Floor Menschen dazu zu bewegen, zukünftig anders zu wirtschaften als der Erfahrungsschatz es ihnen lehrt.

Zunächst einmal braucht es Unternehmer und Führungskräfte, die wirklich etwas bewirken, anstatt nur das nach Status lechzenden Ego befriedigen zu wollen. Die sich selbst reflektieren, Veränderungsbereitschaft und -fähigkeiten und ein Gespür für Menschen und das Machbare entwickeln. Die wie echte Profis immer wieder trainieren und auf dem Führungs-(Shop)Floor der Veränderungsprojekte präsent sind, unterstützen und da wo nötig selbst mit anpacken – anstatt sich in endlosen Meetings durch ebenso endlose PowerPoint-Präsentationen und immergrüne Statusampeln berieseln zu lassen.

Es braucht also Menschen, die ihre eigenen Geschäftsmodelle kritisch hinterfragen und die Ideen für übermorgen (Geschäftsmodelle mit Zukunft) entwickeln, die so klar und einfach sind, dass es für deren Vermittlung kein PowerPoint braucht und die deshalb andere begeistern können. Es braucht Menschen, die einen ebenso klaren Plan für morgen und die nächsten Wochen haben, um jenseits der Willensbekundungen und trotz Widerständen transparent & konsequent im heute Veränderungen in kleinen Schritten umsetzen. Und es braucht Führungskräfte, die Mut haben, im Zweifelsfall ebenso transparent & konsequent meist überfällige Personalentscheidungen im Heute zu treffen. Und vor allem braucht es (diverse) Führungsteams, die nach innen kontrovers und konstruktiv um der besten Sache willen ringen und nach außen geschlossen auftreten.
Und: Führungskräfte dürfen, wenn es um Veränderungen geht, auch ungeduldig sein – ich würde sogar sagen: Sie müssen ungeduldig sein!

NUR DANN GELINGEN VERÄNDERUNGEN!

Denn: Es ist Zeit, dass sich was dreht – es ist Zeit für GAME CHANGE im deutschen Mittelstand!

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