Es war ein eiskalter Morgen, als ich auf dem Weg zu einem Vorstandmeeting war. Vorstand war ich nicht, stand aber trotzdem vorne. Ich durfte Erklärungen abgeben, warum das ehrgeizige Programm, das ich verantwortete, die ambitionierten Terminversprechungen weit verfehlt hatte. Wir rund-erneuerten Flugzeugkabinen, und das erste von insgesamt 80 Flugzeugen im „Runderneuerungsprogramm“ hatten wir nicht nach den geplanten 60 Tagen, sondern erst nach hartumkämpften 143 Tagen fertiggestellt. Liefertreue sieht anders aus! Irgendwie gelang es mir, ausreichend Zuversicht auszustrahlen: Die Meisterschaft, um die wir spielten, würde nicht nach dem ersten Spieltag entschieden werden. Es folgten drei der härtesten Jahre meines bisherigen Berufslebens. Noch viele, viele Male sollte ich „vorne stehen” und Zuversicht einstreuen.

Nach einer dieser Zuversichtsrunden traf ich auf dem Rückweg einen mir wohlgesonnenen Kollegen im Zubringerbus zum Flughafen. Wir hatten uns lange nicht gesehen und nur wenige Minuten bis zu Haltestelle “Terminal 1”. Er berichtete von seinen Strapazen, ich von meinen Zuversichtsrunden. Beim Ausstieg sagte er mir in wahrer Freundschaft einen Satz, an den ich mich erst Jahre später erinnern sollte: ”Mein Lieber, pass auf, dass Du hier nicht verheizt wirst. Denke daran: Von innen sehen Hamsterräder manchmal aus wie Karriereleitern!”f

Studien an der John Moores Universität in Liverpool haben gezeigt, dass „eine schöne Behausung“ Hamster zuversichtlich stimmt (kein Witz!): „Je vielfältiger die Einrichtung ihres Käfigs sei, desto optimistischer sei auch die Lebenseinstellung der kleinen Nager“. Genau darin besteht die Gefahr: „Die schönen Einrichtungen“ verschleiern uns manchmal den klaren Blick auf die Hamsterräder. Nicht umsonst nennen Mitarbeiter der Personalabteilung die „Vergütungspakete“ auf neudeutsch auch „Compensation Benefits“. Kompensation? Wofür eigentlich?

Heute schaue ich von außen auf Unternehmen und verbringe viel Zeit mit Führungskräften. Als Außenstehender gelingt es mir deutlich besser, die Hamsterräder zu erkennen, als zu der Zeit, in der ich selbst ein „Hamster“ war. Denn selbstverständlich gibt es berufliche Karrieren, die keinen Hamsterrädern gleichen. Und zum Glück auch sehr viele Führungskräfte, die kein Hamsterdasein erleben. Dennoch: Die Hamsterrad-Erfahrung möchte ich rückblickend keinesfalls missen, ganz im Gegenteil. Für diese Zeit bin ich dankbar.

Solltest Du Dich im Rad befinden, wünsche ich Dir, dass Du irgendwann den Absprung schaffst. Erhöhte Achtsamkeit ist geboten, wenn in Deinen Unternehmen von Compensation die Rede ist. Hilfreich, die Leiter vom Rad zu unterscheiden, sind aber auch Auszeiten, Refektionen, Hobbies, Familie, gute Freunde, ein Coach und manchmal wohlgesonnene KollegInnen.

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